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Youri Ziffzer: "Du würdest jedes NHL-Team nehmen, wenn du die Chance bekommst."

Im heutigen Interview wagen wir uns aufs Eis. Der ehemalige Eishockeynationaltorwart, sprach mit uns über Idole und Vorbilder, besondere Momente der Karriere, Mentoren und Förderer, seine aktuelle Position als Teamleiter der Adler Mannheim und noch vieles mehr. Was er zu sagen hat, entdeckt ihr in den folgenden Zeilen:


Hallo Youri. Du warst früher Eishockeytorwart und unter anderem 6-mal Deutscher Meister, 1-mal Pokalsieger sowie Torhüter der Nationalmannschaft. Wie geht dir heute?


Mir geht es sehr gut, alles ist bestens. Ich kann mich nicht beschweren.


Du wurdest geboren in Singapur. Wie kam es denn dazu?


Mein Vater war beruflich im Ausland angestellt, unter anderem in New York und Singapur. In der Zeit in Singapur sind dann sowohl meine Schwester als auch ich auf die Welt gekommen. Wir sind dann aber relativ zügig nach Deutschland gekommen, ich glaube es war der 13. Februar 1987. Ich war also nur ein halbes Jahr in Singapur, dementsprechend hab ich auch keine Erinnerungen daran. (schmunzelt)

Youri Ziffzer Bande Eishockey Adler Mannheim
Als er noch aktiv war: Youri Ziffzer im Trikot der Adler Mannheim.


Wie fing dann sportlich alles bei dir an?


Zum Eishockey kam ich nicht durch eine Affinität in der Familie, sondern eher durch eine angeborene leichte Hüftschwäche. Meine Füße standen beim Laufen etwas nach innen, ähnlich einem Schneepflug beim Skifahren. Die Muskulatur in der Hüfte war nicht optimal, so dass ein Arzt damals meinte, dass Schlittschuhlaufen perfekt wäre, da man dabei nach außen drücken muss, was wiederum für den Muskelaufbau gut wäre. Der Verein in der Nähe meines Elternhauses war der EHC Klostersee. Dort ging ich in die „Spiel & Spaß-Stunde“ und lernte dort Schlittschuhlaufen. Das lief ganz gut und ich hatte tatsächlich Spaß dabei. Irgendwann wurde ich dann gefragt, ob ich mal beim Eishockey reinschnuppern möchte. Klar wollte ich!


Und wie alt warst du, als alles begann?


Das muss 1992 gewesen sein, als es mit Schlittschuhlaufen anfing. Ich war also 6 Jahre alt. Meine erste Saison im Eishockey hatte ich dann mit 7 Jahren.


Du wurdest dann Eishockeytorwart. Man sagt ja generell, dass Torhüter etwas positiv bekloppt sein müssen, denn wer lässt sich schon gerne die Pucks um die Ohren schießen. Würdest du behaupten, dass du auch ein bisschen bekloppt warst?


Die Leute sagen, dass die Torhüter in der Regel einen kleinen Dachschaden haben. Ich sehe es anders, denn persönlich würde ich mich nicht als bekloppt bezeichnen. Es gibt aber sicher auch den ein oder anderen, der ein bisschen bekloppt ist. Es gibt aber auch viele Torhüter, die ganz schön was in der Birne haben. Spontan fallen mir Markus Flemming (Anm. d. Red.: Ex-Torhüter und aktuell Sportpsychologe der Eisbären Berlin) oder Oliver Jonas (Anm. d. Red.: Ex-Torhüter, Harvard-Absolvent und promovierter Biophysiker) ein, die wirklich hochintelligent sind. Es ist natürlich ein Klischee, aber ich würde Torhüter nicht grundsätzlich als bekloppt einstufen. Man ist ja auch relativ gut geschützt. Sicherlich braucht es aber spezielle Typen für diese Position, da man ja doch eine recht verantwortungsvolle Aufgabe hat und der letzte ist, der Schlimmeres für die gesamte Mannschaft verhindern kann.


Hattest du denn auch mal höhere Ambitionen als Feldspieler gehabt?


Ich hab natürlich als Feldspieler angefangen. Das war alles ganz schön und hat mir auch Spaß gemacht. Mit 8 oder 9 Jahren bin ich dann aber ins Tor gewechselt. Ob ich als Feldspieler eine ähnlich erfolgreiche Karriere gehabt hätte, ist schwer zu sagen. Ich war aber damals bereits dem Torwartspiel gegenüber deutlich positiver eingestellt und habe mich auch in der Schule beim Fußball schon immer als Erster ins Tor gestellt. Man kann sagen, ich bin als Torwart auf die Welt gekommen.

Youri Ziffzer Adler Mannheim Eishockey Torwart
Youri in Aktion.


Und was war rückblickend betrachtet der schönste Moment deiner Karriere?


Boah, das ist schwer zu sagen. Wenn man das Glück hatte, als Spieler 6-mal deutscher Meister zu werden, dann fällt es nicht leicht, den einen Moment herauszufiltern. Die Titel waren alle schön, aber ein besonderer Moment war mein erster Einsatz in der DEL. Ich wurde damals für die Eisbären Berlin im Heimspiel gegen die Adler Mannheim eingewechselt. Das Ergebnis war nicht so schön, aber es war trotzdem ein besonderer Moment. Es gab aber auch andere schöne Momente, zum Beispiel dann für die Adler Mannheim in Berlin gegen die Eisbären zu spielen, dort, wo in der DEL alles begann. Es schloss sich einfach ein Kreis. Ich hatte zwar auch vorher immer mal wieder gegen die Eisbären gespielt, aber komischerweise nie auswärts. Das war einfach ein netter Moment für mich persönlich. Ich würde mich aber nicht auf einen Moment festlegen, schon allein aus Respekt all den anderen schönen Momenten meiner Karriere gegenüber.


Und nun der Blick in die andere Richtung: Gab es einen schwierigen Moment, auf den du in deiner Karriere gerne verzichtet hättest?


Klar, jedes Spiel, welches du deutlich verlierst, ist gerade als Torwart nicht schön. Mit Köln verlor ich zweimal im Finale, das macht auch nicht so richtig Spaß.

Rückblickend betrachtet, auch wenn ich es an dem Tag noch nicht wusste, war es aber wohl der 30. Dezember 2016. Wir spielten mit den Adlern in Straubing und ich musste im 2. Drittel verletzungsbedingt vom Eis. Es war mein letzter DEL-Einsatz, im Sommer darauf habe ich meine aktive Karriere beendet.


Wer war der größte Mentor und Förderer?


Ganz zu Beginn war es Robert Müller*. Er kam damals mit 17 Jahren aus Rosenheim, um in Klostersee in der ersten Mannschaft zu spielen. Ich war 11 Jahre alt und er kam oft zum Nachwuchstraining, hat mit uns trainiert und mir persönlich viele Tipps gegeben. Er wurde zu einem guten Kumpel, der mir auch später in meiner Profikarriere immer offen gegenüber stand. Meinen ersten Einsatz in der Nationalmannschaft hatte ich auch zusammen mit ihm, was natürlich schön war.

Später in der Jugend der Adler half mir Anders Olsson sehr, ein schwedischer Trainer, der bis heute immer offen für Fragen und Gespräche ist.

In meiner Zeit bei den Eisbären war Hartmut Nickel ein ganz besonderer Mensch. Er war damals Co-Trainer und auch wenn er mir vielleicht sportlich gar nicht so sehr helfen konnte, so war er doch für uns Jungs auf dem Eis, eine absolute Vaterfigur und machte einen überragenden Job. Er hatte immer ein offenes Ohr, aber gab dir zum richtigen Zeitpunkt auch mal eins auf den Deckel, wenn du etwas neben der Spur warst. (schmunzelt)

Das hat er mit seiner unnachahmlichen und liebenswerten Art einfach toll gemacht und ich habe ihm viel zu verdanken. Das sind sicher die drei prägendsten Personen meiner Karriere, welche mir am meisten mitgegeben haben und auch langfristig immer zur Seite standen. Aber auch meine Eltern möchte ich an dieser Stelle nicht vergessen.

Youri Ziffzer Kabine Interview Eishockey Adler Mannheim


In deiner Zeit bei der Nationalmannschaft war damals Uwe Krupp der Cheftrainer. Was war er denn für ein Trainertyp? Hat er euch als Spieler auch mal in den Hintern getreten oder war er eher der Kumpeltyp?


Beides! Sicherlich hat er sich über die Jahre auch etwas verändert, was aber auch normal ist. Ich würde es auch negativ bewerten, wenn es nicht so wäre, denn im Laufe der Zeit hat er sicher seine Erfahrungen gesammelt und Anpassungen vorgenommen. Ich sehe seine Veränderung also durchaus positiv. Ich kam immer gut mit ihm klar, aber er wusste zum richtigen Zeitpunkt auch, wann man hart arbeiten muss und der Kumpeltyp kurz Pause hat. Wenn es nicht läuft, wird er durchaus sauer. Er besitzt aber die Fähigkeit der Mannschaft sehr gut zu erklären, warum man bestimmte Dinge macht, und in der Regel folgt die Mannschaft ihm auch. Ich persönlich fand es immer sehr gut mit ihm.


Wenn du die Möglichkeit gehabt hättest, einmal in der NHL zu spielen, bei welchem Team wärst du dann am liebsten gelandet?


Leider Gottes hatte ich diese Möglichkeit nie, auch wenn es in jungen Jahren eine Tendenz in diese Richtung gab. Ich war immer großer Fan der New York Rangers. Das lag daran, dass ich mit 7 oder 8 Jahren eine Playercard von Mike Richter bekommen habe. Ich fand die Farben cool. Natürlich hatte ich in dem Alter noch keinen Plan von der großen Eishockeywelt. Erst später bekam ich dann mit, welche Historie hinter dem Team steckte und was für ein guter Torwart Mike Richter überhaupt war. Sicher wäre das ein Team gewesen, wo ich gern gespielt hätte, aber letztlich sagt man als Spieler bei jedem anderen Team auch nicht nein.

Mittlerweile verfolge ich Colorado Avalanche, dadurch, dass Philipp Grubauer dort spielt, aber auch die Ottawa Senators und Detroit Red Wings, durch die deutschen Spieler dort.

Heutzutage sind es natürlich andere Dinge als damals, auf die man achtet und warum man mit der einen Mannschaft mehr sympathisiert als mit der anderen. Am Ende des Tages würdest du aber jedes Team der NHL nehmen, wenn du die Chance bekommst.


War denn Mike Richter auch eine Art Idol für dich oder gab es vielleicht andere Spieler, die du als Vorbild hattest?


Er war natürlich schon ein Idol, aber es war Mitte bis Ende der 90er auch eine andere Zeit. Die NHL war nicht so präsent im deutschen Fernsehen, das Internet steckte in den Kinderschuhen und ich hatte keinen eigenen Anschluss und auch keinen Computer in meinem Zimmer. Es war ja vor gut 20 Jahren alles noch etwas anders, das kann man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen. Sicher war er ein Idol, welches ich leider nicht oft sehen konnte.

In Deutschland war es natürlich Robert Müller, aber auch Mike Rosati (Anm. d. Red.: Ex-Torhüter, u.a. Adler Mannheim). Er war jemand, zu dem ich aufschaute. Aufgrund dessen, war ich als Kind auch schon Adler-Fan. Wie du merkst, bin ich bei den Vorbildern eher nach Torhütern gegangen. (schmunzelt)


Nach der aktiven Karriere bist du Teamleiter der Adler Mannheim geworden und bist es noch immer. Wie kam es dazu und wie wohl fühlst du dich in deiner Aufgabe?


Es gab einen Umbruch im Coaching Staff und dem sportlichen Management. Ich hatte Kontakt mit den handelnden Personen, die sich darum kümmerten, unter anderem mit Markus Kuhl, welcher Interimsmanager wurde und diesen Prozess vorantreiben sollte. Es war schnell klar, dass diese Position neu geschaffen werden soll und sowohl er als auch ich konnten mich in dieser Position sehen. Zuerst wurde sich um die sportliche Leitung und das Trainerteam gekümmert, danach saßen wir zusammen und wurden uns sehr schnell einig. Beide Seiten wollten, dass ich schon bald den ersten Gang ins Büro zu meinem neuen Job antreten konnte. Ich fühle mich sehr wohl in dem Job, es sind viele spannende Aufgaben und es kommen auch immer wieder neue spannende Dinge dazu. Zusätzlich habe ich die Möglichkeit, auch in andere Bereiche zu schnuppern. Ich habe mich von Tag 1 an sehr wohl gefühlt und tue es immer noch.

Youri Ziffzer Adler Mannheim
Youri macht auch abseits des Eises eine gute Figur.


Vor kurzem liefen die Play Offs der DEL. Die Eisbären Berlin sind deutscher Meister geworden, du hast lange dort gespielt. Ihr seid mit Mannheim leider im Halbfinale ausgeschieden. Kann man sich trotzdem auch etwas für den Ex-Verein freuen?


Es ist personenbezogen. Klar waren wir enttäuscht, dass wir ausgeschieden sind. Das tut schon weh. Wenn ich aber sehe, wie Frank Hördler zum 8. Mal den Pokal in die Höhe stemmt, dann freu ich mich schon für den Franky. Ich weiß, wie bei ihm alles anfing und wir spielten ja auch 5 Jahre zusammen. Dass er immer noch dabei ist und nun auch als Kapitän Meister werden konnte, freut mich für ihn. Daneben fällt mir noch Peter John Lee (Anm. d. Red.: Ex-Spieler, Trainer und Manager der Eisbären) ein, dem man nur zu einer brutalen Managerkarriere gratulieren kann. Aber auch Dirk Perschau (Anm. d. Red.: Ex-Spieler der Eisbären und jetziger Betreuer), Physiotherapeut Thomas Wöhrl…

Letztendlich sind es die Jungs, mit denen man selber zu tun hatte, für die man sich dann eben freut. Viele Leute kenne ich aber auch gar nicht mehr, auch im Büro gab es Fluktuation und man hat sich zusätzlich vergrößert. Ein paar neue Leute durfte ich kennenlernen, für die man sich dann auch freut, aber das ist alles personenbezogen. Vereinsbezogen kenne ich natürlich die Rivalität zwischen Berlin und Mannheim ganz gut, denn Berlin war meine erste Profistation, ich habe 5 Jahre dort gelebt und mich auch sehr wohl gefühlt. Natürlich freue ich mich nicht, dass die Eisbären Meister geworden sind, denn das bedeutet, dass wir verloren haben, aber für die einzelnen Personen freut es mich, das schon.


Wenn du einen Wunsch frei hättest für die Menschheit oder den gesamten Planeten: Welcher wäre das und warum?


Lasst uns einfach wieder so leben wie vor Corona!


Dem können wir uns nur anschließen. Zu allem was fehlt, zählt natürlich auch Eishockey vor Fans.

Wir vom Sport Talk, bedanken uns sehr herzlich bei Youri Ziffzer für dieses tolle Interview und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft. Falls euch das Interview gefallen hat, dann gebt uns ein bisschen Liebe und empfehlt uns weiter. Und seid natürlich wie immer gespannt auf die nächsten Interviews.


*Robert Müller: ehemaliger Torwart, der 2009 im Alter von nur 28 Jahren an den Folgen eines schweren Gehirntumors viel zu früh verstarb. Zu seinen Ehren, wird seine Rückennummer 80 ligaweit nicht mehr vergeben. Diese Ehre wurde zuvor nur der Eishockeylegende Wayne Gretzky in der NHL zu Teil. Robert Müller nahm an mehreren Weltmeisterschaften und olympischen Spielen teil, war mehrfacher deutscher Meister und Schirmherr der nach seiner Rückennummer benannten Stiftung „Die 80 hat Kraft“, welche sich (so wie auch wir) für die deutsche Kinderkrebsstiftung einsetzt.


Fotos: Adler Mannheim / Sörli Binder

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