Im heutigen Interview steht uns Fabienne Deprez Rede und Antwort. Bis vor Kurzem zählte sie zur deutschen Badmintonelite. Warum sie ihre Karriere beendete, was gute Spielerinnen verdienen und welche beiden Sportlegenden sie mal um ein Foto bat, erzählt sie uns auf ihre sehr sympathische Art. Aber lest selbst:
Hallo Fabienne. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft und alles Gute für den weiteren Verlauf.
Vielen Dank.
Wie geht es euch beiden?
Die ersten 4 Monate waren schlimm. Ich hatte jeden Tag Übelkeit, auch damit verbunden, dass ich mich übergeben musste. Mittlerweile bin ich in der Mitte des 5. Monats und muss Medikamente nehmen, weil ich bis jetzt kaum zugenommen habe, bis jetzt nur 800 Gramm. Ich bin halt direkt vom Leistungssport in die Schwangerschaft. Mit abtrainieren war da nicht viel. Mein Körper muss gerade einiges aushalten. Ich muss nun zusehen, dass ich etwas mehr esse und vielleicht ein paar Kilo zunehme.
Du wurdest im Rheinland geboren, hast später durch Badminton die Welt kennengelernt. Erzähl uns doch kurz, wie alles anfing.
Das kam durch meine Eltern und meinen Bruder, da sie auch alle Badminton spielten. Wie das dann halt so ist, kannst du als kleines Kind natürlich nicht alleine zu Hause bleiben. So nahmen mich meine Eltern halt mehrmals pro Woche mit zum Training, wo ich meine ersten Versuche startete. Anfangs war der Schläger größer als ich.
Wie alt warst du damals?
Ich war tatsächlich bereits mit 3 Wochen das erste Mal beim Badminton. Also eigentlich schon immer. Ich hatte gar keine andere Wahl. (schmunzelt)
Als ich laufen konnte, fing ich an den Schläger in die Hand zu nehmen und bin den Bällen hinterhergejagt, aber natürlich noch nicht professionell. Klar gingen da auch einige Schläger kaputt, da diese als kleines Kind verhältnismäßig viel zu groß sind. Es gibt auch Kinderschläger, aber meine Eltern sagten „Das Kind bekommt direkt einen richtigen Schläger, soll sich gar nicht erst an diesen Quatsch gewöhnen“. Es hat halt etwas mit den Hebel- und Winkelverhältnissen zu tun. Kinderschläger sind ungefähr 30 cm kleiner und wenn man sich dann irgendwann umstellen muss, dann schlägt man einfach am Ball vorbei.
Wann hast du gemerkt, dass Badminton für dich mehr als nur ein Hobby sein soll?
Ich hatte das Glück bei einem Verein zu spielen, der selber sehr professionell aufgestellt war (Anm. d. Red.: FC Langenfeld) und habe mit 6 Jahren bereits meinen ersten Kinderwettkampf bestritten. Wir hatten 2 Olympioniken im Verein und dadurch, dass ich diese Vorbilder ständig sah, war mir immer klar, dass es Badminton auch professionell gibt. Ich bin da quasi reingewachsen. Als im Kindergarten die Frage aufkam, was man später werden möchte, kamen Antworten wie Tierärztin oder ähnliches. Ich wollte Olympiasiegerin werden, das war für mich ein Beruf.
Ein sympathischer Gedanke.
Ja, mit 3 Jahren kann man das ja mal sagen. (schmunzelt)
Woher kommt die Überlegenheit der Asiaten im Badminton?
Badminton gehört dort ein Stück weit zur Kultur. Jeder spielt es, ähnlich wie im Fußball bei uns. Wenn man sich die Anzahl der Menschen vor Augen führt, ist es natürlich klar, dass eher mal ein richtig guter Spieler dabei ist, da der Pool, aus dem man schöpfen kann, ungleich größer ist. Dort sind wir (Badmintonspieler) auch viel größere Stars als hier.
Also kann man dort mit dem Sport auch richtig gutes Geld verdienen?
Ja, aber mittlerweile geht das sogar auch in Europa. Es gibt auch hier einige Badmintonmillionäre. Carolina Marín (Anm. d. Red.: Olympiasiegerin, sowie mehrfache Weltmeisterin) beispielsweise, verdient mehrere Millionen pro Jahr.
Sie ist ein Jahr jünger als ich. Wir haben in der Jugend sehr oft gegeneinander gespielt. Damals habe ich sie noch besiegt, aber dann ist sie irgendwann abgegangen wie eine Rakete. Gegen sie durfte ich auch das letzte Spiel meiner Karriere bestreiten. Das war ein schöner Abschluss, gegen die beste europäische Spielerin aller Zeiten das letzte Spiel zu bestreiten.
Du bist bis heute die jüngste Spielerin in der Badminton-Bundesliga, warst deutsche Meisterin, Mannschaftseuropameisterin und nahmst an Jugendweltmeisterschaften teil. Dein großer Traum war aber Olympia 2020. Wie sehr schmerzt es, diesen Traum nicht mehr verwirklichen zu können und wie gehst du mittlerweile, mit etwas Abstand, damit um?
Mein Plan war, die Karriere nach Olympia 2020 zu beenden. Als es dann hieß, dass die olympischen Spiele verschoben werden, war es schon hart. Ich hatte dann auch zu meinen Trainern gesagt, dass ich erstmal nicht mehr zum Training komme. Das Quietschen der Schuhe auf dem Hallenboden, das Geräusch wenn der Ball vom Schläger getroffen wird: Ich konnte es nicht hören und wollte erstmal niemanden sehen. Außenstehende wissen nicht, was Olympia für Sportler wie uns Badmintonspieler bedeutet. Fußballer beispielsweise sehen Olympia eher als Randerscheinung, für Sportler aller anderen Sportarten, ist es das Größte der Karriere. Das war auch immer mein Leitbild: Wenn ich das nicht erreiche, bin ich kein guter Sportler. Als es dann zu der Absage kam und ich wusste, dass ich nun noch ein Jahr dranhängen müsste, mein Körper mir immer mehr Zeichen gab und auch das Duell mit meiner deutschen Konkurrentin um den einzigen Startplatz für Olympia immer enger wurde, war das schon krass. In dieser Zeit sind auch viele Tränen geflossen Ende 2019/Anfang 2020.
Ich hab mir dann aber gesagt „Hey Fabienne, nur weil du nicht bei Olympia warst, bist du deshalb kein schlechterer Sportler.“ Ich habe große Erfolge gefeiert, ich habe viel erreicht und das kann mir keiner nehmen. Nur weil nicht in meinem Lebenslauf steht, dass ich bei Olympia war, bin ich trotzdem ein super Sportler gewesen.
Badminton wird in Deutschland leider nur als „Randsportart“ wahrgenommen, obwohl dieser Begriff in meinen Augen etwas unglücklich ist.
Für uns als Sportler ist der Begriff „Randsportart“ gleichgesetzt, mit dem Rahmen, den du verdienen kannst. Wir müssen von dem Erwirtschafteten leben und dass es nicht so viel ist, wie zum Beispiel im Fußball, ist kein Geheimnis. Deshalb setzen wir den Begriff gleich mit dem Verdienst, den man erwirtschaften kann.
Also ist dieser Begriff eher durch Sportler geprägt und nicht durch die Medien?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube es ist ein gegenseitiges Zusammenspiel. Man könnte auch den Begriff „weniger akzeptierte Sportarten“ benutzen, anstatt „Randsportarten“.
Alle 4 Jahre zu den olympischen Spielen, erreicht man Medienpräsenz, ansonsten fristet der Sport eher ein Schattendasein. Wie gehst du damit um und was müsste sich deiner Meinung nach ändern, damit Badminton populärer wird?
Also, zuerst war ich froh, nicht so sehr im Rampenlicht gestanden zu haben, wie beispielsweise Fußballer. Wenn es mal nicht so gut läuft, dann muss man sich nicht rechtfertigen in der Öffentlichkeit. Man kann auch mal in der Nase bohren, ohne dass direkt irgendwo ein Paparazzi lauert. So gesehen hat es auch Vorteile, nicht so bekannt zu sein. Andererseits denkt man sich „Hey, ich trainiere 6 Stunden am Tag, trage den Adler auf der Brust, aber eigentlich wird man von allen Seiten nur belächelt.“ Da fehlt es einfach an Anerkennung. Klar, ich habe mir den Sport selber ausgesucht, aber letztlich möchte jeder, der seinen Job gut macht, am Ende etwas Anerkennung dafür ernten.
Du hast Anfang des Jahres deine aktive Karriere beendet. Schuld daran war unter anderem eine seltene Krankheit. Du leidest an Schlafapnoe. Was genau ist das und wie wurde sie festgestellt?
Die Krankheit ist gar nicht so selten. Es ist eine versteckte Volkskrankheit, von der viel mehr Menschen betroffen sind, als man denkt. Man hört im Schlaf auf zu atmen, in verschiedenen Zeitabständen. Ich habe es bei mir durch den ersten Lockdown festgestellt. Ich war ständig müde, hatte länger Muskelkater als meine Mitspieler. Nach Muskelverhärtungen oder kleineren Zerrungen hat es immer ewig gedauert zu regenerieren. Nach dem Krafttraining hatte ich immer schwere Beine. Ich habe es einfach auf das harte Training geschoben. Im ersten Lockdown wurde unser Training auf ca. 20 % heruntergefahren, dadurch dass die Halle geschlossen war, aber es war keine Besserung zu erkennen. Es war egal, ob ich 5 oder 10 Stunden schlief, ich war immer gleich müde. Ich hab dem Bundestrainer dann erzählt, dass irgendetwas nicht stimmt und fragte ihn, was wir machen sollen. Er schickte mich dann zu meinem Hausarzt, welcher mich auch schon sehr lange kennt. Dort wurde dann ein großes Blutbild gemacht, wir wollten der Ursache einfach auf den Grund gehen. Alle Werte waren aber top. Als ich aber meinem Arzt die Beschwerden detaillierter schilderte, kam von ihm sofort die Vermutung, es könnte sich um Schlafapnoe handeln. Er schickte mich dann zum Pneumologen. Ich bekam dann ein Überwachungsgerät für zu Hause, welches ich vor dem Schlafen anschließen sollte. Es kam dann heraus, dass ich pro Stunde bis zu 20 Atemaussetzer habe mit einer Länge von bis zu 30 Sekunden.
Wow, das kann man sich kaum vorstellen!
Ich hab es unbewusst sogar mitbekommen. Man muss es sich vorstellen wie einen Traum, in dem man sich erschreckt. Ich dachte halt jedes Mal „Boah, schon wieder schlecht geträumt.“
Ich bin dann ständig aufgeschreckt und hatte auch öfter das Gefühl, nach Luft schnappen zu müssen. Ich hab es dann immer auf Albträume geschoben und bat dann meinen Freund zu beobachten, was nachts mit mir passiert. Er erzählte mir dann, dass ich aufhöre zu atmen. Ich war dann mehrere Tage im Krankenhaus, auch im Schlaflabor und das kam dann dabei raus.
Wie sieht deine Behandlung aus und ist es überhaupt heilbar?
Nein, es ist nicht heilbar. Ich habe ein Atemgerät bekommen und muss nun jede Nacht damit schlafen.
Das ist keine schöne Vorstellung.
Nein, es ist auch sehr unangenehm. Aber besser so, als in ein paar Jahren einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu bekommen. Das wäre nämlich der nächste Schritt, den die Krankheit auslösen kann. Oder einfach gar nicht mehr aufzuwachen.
Es sind aber tatsächlich mehr Menschen davon betroffen, als bekannt ist. Es ist eine Art Volkskrankheit, von der viele noch nie gehört haben. Was auch auffällig ist: Die Krankheit tritt häufiger bei Männern auf, die schnarchen, übergewichtig sind und kaum Sport treiben. Ich bin gar nichts davon!
Ich starte demnächst zusammen mit einer Firma auch eine Aufklärungskampagne zu dem Thema, weil es einfach unterschätzt wird. Man hat ein fünffach erhöhtes Risiko einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Das ist eine Ansage!
Du bist durch deinen Sport viel herumgekommen: Malaysia, Mongolei, Kanada, Neuseeland sind nur einige Stationen. Auf Vereinsebene hast du auch 4 Jahre in Paris gespielt. Muss es sich nicht wie ein Traum angefühlt haben, das, was man liebt, professionell zu betreiben und gleichzeitig die Welt zu bereisen?
Das ist die romantische Vorstellung, die Realität sieht oft so aus, dass du irgendwo landest, zum Hotel gebracht wirst, du von dort zur Halle fährst und dann eigentlich nur zwischen Hotel und Halle pendelst. Scheidest du früh aus und dein Rückflug geht erst einige Tage später, dann hast du die Chance noch etwas zu sehen. Kommst du im Turnier sehr weit, wirst du direkt nach dem Ende zum Flughafen gefahren. Man sieht das Reisen dann auch eher als Last an. Du bist müde, hast schwere Beine, einen Jetlag und bist länger von Familie und Freunden getrennt. Irgendwann empfindet man es nicht mehr als etwas Schönes, sondern als Belastung. Die Kunst besteht darin, sich das Privileg des vielen Reisens und das professionelle Verhalten während des Turniers zu bewahren und einen gesunden Mittelweg zu finden. Letztlich darf man aber auch nie aus den Augen verlieren, warum man reist. Nämlich, um ein Turnier zu spielen, und nicht um Sigthseeing zu betreiben.
Was man auch nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass wir vor Ort kaum mobil sind. Meist spielt sich alles im Umkreis von 1 Kilometer ums Hotel ab. Noch dazu liegen die Spielstätten und Hotels oft in Industriegebieten oder außerhalb der Städte. Man muss Glück haben, dass die Spielstätte im Zentrum liegt, sonst sieht man leider nicht viel.
Wie geht es nun beruflich für dich weiter? Wirst du nach der Schwangerschaft dem Sport erhalten bleiben?
Ich arbeite bereits nebenbei für den Niedersächsischen Badmintonverband. Ich habe dort ein U 22-Projekt übernommen, welches im Februar gestartet ist. Es soll den Übergang von der Jugend zu den Senioren erleichtern. Es gibt eine relativ hohe Aussteigerquote nach dem Jugendbereich. Viele gute Spieler hören auf, wenn sie Ausbildung oder Studium beginnen, da es an Unterstützung mangelt. Ich versuche ihnen zu helfen, beim Badminton zu bleiben und bin bestrebt, Lösungen mit den Arbeitgebern und Unis zu finden. Klar, ich bin 10 Jahre älter als diese Spieler, aber nah genug dran um zu wissen, was es heißt, Ausbildung oder Studium und eben Badminton unter einen Hut zu bekommen. Deshalb wurde ich vom NBV angesprochen und helfe ein paar Stunden pro Monat. Ich versuche aber auch als Trainerin wertvolle Tipps zu geben.
Nach der Schwangerschaft ist geplant als Aktive auf den Court zurückzukehren. 2. Liga oder Regionalliga traue ich mir dann durchaus noch zu.
Es gibt ein Foto von dir mit Dirk Nowitzki und Andre Lange vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Wie kam es denn dazu und wer hat wen um ein Foto gebeten?
(schmunzelt) Das war beim Youth Olympic Day 2010. Wir waren zur Einkleidung in Berlin, es gab einen Fackellauf zum Brandenburger Tor und die beiden waren als Botschafter vor Ort. Wir waren ca. 80 Athleten und keiner hat sich getraut ihn zu fragen. Ich war damals schon recht kess und sah es als einmalige Gelegenheit an. Ich dachte mir: „Hey, er ist auch Sportler. Ich gehe jetzt einfach zu ihm hin und frage ihn, ob er ein Foto mit mir macht.“ Er sagte: „Ja klar, kein Problem. Schön, dass du fragst.“ So wie es dann ist, eine traut sich und danach kamen direkt alle angestürmt. Die Leute haben sich gefreut, dass ich den Anfang gemacht habe, sodass letztlich auch jeder sein Foto bekommen hat. Das war ein schönes Erlebnis, auch Andre Lange zu treffen. Er ist ja auch eine Legende. Viele kannten ihn gar nicht, aber ich hab gesagt „Komm mit auf´s Foto, du gehörst auch drauf.“ Ihm war es ein bisschen unangenehm, denn alle wollten ein Foto mit Dirk, aber für mich sind beide absolute Topathleten!
Kommen wir nun zu unserer Abschlussfrage. Wenn du einen Wunsch für die Menschheit, oder den gesamten Planeten frei hättest: Welcher wäre das und warum?
Boah, das ist eine sehr, sehr…
Einen nur?
Ein Wunsch, genau.
Klar sagt man immer Weltfrieden, aber in meiner Welt setze ich das voraus, weil ich einfach finde, dass man sich nicht bekriegen sollte. Ich glaube, es ist am wichtigsten, dem gegenüber mehr Toleranz zu schenken. Das würde viele Probleme und Konflikte lösen. Wenn man mal ein bisschen länger darüber nachdenkt, wie mein Handeln auf mein Gegenüber wirkt, dann würden viele Dinge einfach besser laufen.
Amen! Und somit schließt sich unser Interviewbuch für heute. Wenn ihr Gefallen am Interview fandet, dann seid gespannt auf die nächsten Tage. Es wird mit tollen Gästen erfrischend weitergehen. Also dann: Bis neulich…
Fotos: Fabienne Deprez
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